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Hauke Harnisch Portrait
Das bin ich

Es ist 05.45 Uhr. Donnerstag morgen, ein verregneter, grauer Tag in Amsterdam. Die Business Lounge am Flughafen Schiphol ist um diese Zeit noch schwach besucht. Die Angestellten sind bemüht, das reichhaltige Frühstücksbuffet aufzudecken und es duftet angenehm nach frischen Croissants. Das Ambiente in der Lounge mit seinen warmen Farbtönen und komfortablen Sesseln und Sitzecken verleitet zum Verweilen und vermittelt dem Gast ein wohnliches Gefühl. Vom einsetzenden Trubel im Abflugterminal ist man abgeschirmt und gut isoliert mit Seinesgleichen.

Mein Name ist Hauke Harnisch. Ich bin 56 Jahre, ein Meter achtzig groß und für mein Alter noch recht schlank. Meine dunklen Haare, oder zumindest die Wenigen, die sich immer noch weigern auszufallen, sind auf drei mm Länge rasiert, um meine große Platte in Szene zu setzen. Heute trage ich einen grau melierten Anzug mit weißem Hemd. Ohne Krawatte – den Zwang konnte ich in der Zwischenzeit ablegen. Ich sitze an einem kleinen runden Tisch mit drei orangefarbenen Sesseln und trinke einen schwarzen Kaffee. Mein kleines Frühstück besteht zudem aus einem Joghurt und einem warmen Croissant. Ich warte auf meinen Abflug nach Wien. Es ist ein Heimflug. Ich freue mich. Wien ist eine großartige Stadt, traditionell und voller Lebensfreude, aufstrebend modern, eine Stadt im Wandel der Generationen. Sie bietet ein vielseitiges kulturelles Angebot und zudem fast das ganze Jahr schönes Wetter. Eine Stadt, in der ich mit meiner Frau und unserem 21-jährigen Sohn seit September 2015 lebe. Unsere 25-jährige Tochter studiert in den Niederlanden. 

Von Januar 2009 bis Mai 2015 arbeitete ich als selbstständiger Unternehmensberater mit Schwerpunkt Logistik. Mittlerweile arbeite ich für die Steinhoff International Logistics als Global Supply Chain Manager. Vor meiner Selbstständigkeit war ich als Angestellter in leitenden Funktionen im Bereich Logistik tätig. In den vergangenen 20 Jahren hatte meine berufliche Tätigkeit es mir ermöglicht, zusammen mit meiner Familie über dreizehn Jahre im Ausland zu leben, in Städten und Metropolen wie Chicago, Il, USA, Barcelona und Valencia, Spanien, Abu Dhabi, V.A.E., Guatemala City, C.A. und München. 

Wenn ich ehrlich bin, verbrachte ich vor meinem Umzug nach Wien mehr Zeit auf Flughäfen, in Hotels oder in Fabriken und Filialen der Unternehmensnetzwerke. Und das über Jahre. Meine engsten Freunde waren mein Smartphone, mein Laptop und die Zugangscodes zu diversen Internet Netzwerken. Ich bin ein Arbeitstier, und das schon seit vielen Jahren. Burnout-Syndrome sind mir bekannt und meine ständigen Begleiter. Hobbys habe ich einige, wie Tennis und Mountainbike fahren, Skifahren, Möbel restaurieren und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Leider werden diese Hobbys von mir kaum gelebt. Bilder erinnern mich an meine sportlich aktive Zeit. In den vergangenen Jahren konnte ich meine sportlichen Aktivitäten systematisch vernachlässigen. Mein Ausweis vom Fitnessclub war lange Zeit unauffindbar und im Tennisverein wurde ich beim Betreten des Clubhauses nach meiner Mitgliedschaft gefragt. 

Der Umzug von Valencia, wo wir zuvor drei Jahre gelebt hatten, nach Wien im Spätsommer 2015 war bereits der Beginn einer Veränderung, die mir helfen sollte, aus der immer enger werdenden Arbeitsspirale herauszukommen. Ich fand die Liebe zum Schreiben und begann ein Fernstudium der Belletristik, dass ich im Mai 2016 abschloss. Zur Zeit konzentriere ich mich auf das schreiben von Glossen und Kurzgeschichten, hauptsächlich über Manager Erfahrungen im Berufsalltag. 

Eine freundliche Frauenstimme reißt mich aus meinen Gedanken. Die Dame erinnert mich an meinen Flug und verweist dabei auf den elektronischen Monitor mit den Abflugdaten. Es ist soweit. In weniger als zwei Stunden bin ich wieder in Wien und am Abend freue ich mich auf die Zeit mit meiner Frau. Ich trinke zügig meinen Kaffee aus, stecke mir für den Flug noch einen Schokoladenkeks ein und mache mich mit meinem Handgepäck auf den Weg zum Abfluggate. Auf dem Weg dorthin werde ich von mehreren Anzugträgern mit großen Schritten überholt. Den Knopf im  Ohr und mit den Armen wild gestikulierend. Ich schmunzle in mich hinein.

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